Visualisierungsregeln Teil 2: 10 Glaubenssätze, die du über Bord werfen solltest

Bedeutung, Erkennbarkeit und das spannende Verhältnis zwischen Wort und Bild – darum geht es beim Visualisieren. Wer die wichtigsten Visualisierungsregeln kennt und weiß, welche Alltagsweisheiten und Glaubensgrundsätze man über Bord werfen darf, kann seine Themen leichter in visuelle Sprache übersetzen.

Ein Auszug aus unserem Bestseller „UZMO – Denken mit dem Stift“ von Martin Haussmann

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„Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ – echt jetzt?

Sicher kennst du diesen Satz. Ich habe ihn schon oft gehört. Er fällt Menschen, die sich mit der visuellen Sprache beschäftigen, oft als Erstes ein. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir dazu ein Plakat, das in einem Wettbewerb des Art Directors Club Deutschland präsentiert wurde. Der Fotograf Dietmar Henneka warb selbstbewusst und auch ein wenig selbstironisch mit der Headline: „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Stellen Sie diesen Satz mal in einem Bild dar!“

Das hat mich zum Nachdenken gebracht und mich später bei meiner Entwicklung zum Visual Facilitator begleitet. Tatsächlich fangen sogar viele Presseberichte über die Arbeit der bikablo akademie mit diesem Sprichwort an. Etwas kurz gegriffen, finde ich – denn daraus ergibt sich ein Glaubenssatz, mit dem Sie sich als Visualisierer unnötig das Leben schwer machen.

Sagt ein Bild mehr als tausend Worte?

Manchmal ist das vielleicht so. Doch besonders beim Visualisieren solltest du Wort und Bild als zwei Partner mit unterschiedlichen Aufgaben verstehen: Während das Wort Sachverhalte transportiert, unterstützt das Bild eine Aussage, oder es emotionalisiert, verknüpft, konterkariert, verdeutlicht und hilft beim Erinnern. Visual Facilitators, die auf ihren Präsentations-Plakaten den Text vergessen, weil sie glauben, mit Bildern sei alles viel besser und pointierter gesagt, tappen schnell in eine Falle: Sie produzieren Bilderrätsel, die kaum eine Betrachterin versteht, weil der Text als Kontextgeber fehlt.

wichtige visualisierungsregeln - visualisieren lernen


Muss sich der Inhalt einer Visualisierung selbst erklären?

Muss nicht sein. Kleine Gedankenskizzen können zum Beispiel einfach einer persönlichen Ideenfindung dienen oder spontan im Gespräch entstehen. Wir nennen das Sketchnoting oder Gedankenskizzen. Für die Sketchnoterin sind solche Skizzen in ihrem gedanklichen Prozess immens hilfreich, um zum Beispiel eine Idee weiterzuentwickeln. Ein Außenstehender braucht sie nicht zu verstehen, er sieht vielleicht nur sinnloses Gekritzel. Auch die Sketchnoterin weiß am nächsten Tag vielleicht nicht mehr, was sie da aufgezeichnet hat. Solange das Denken mit dem Stift aber im entscheidenden Moment ihre Lösungsfindung unterstützt hat, ist das völlig in Ordnung.

wichtige visualisierungsregeln - visualisieren lernen


Muss es immer schön aussehen?

Nein – im Gegenteil: Wer holprig visualisiert, senkt im visuellen Dialog die Hemmschwelle seiner Gesprächspartnerin, es auch zu versuchen. Es ist egal, ob deine Linien schief und krumm geraten, oder deine Figuren und Piktogramme seltsam proportioniert sind. Das Ziel von Visualisierung ist nicht Schönheit, sondern Kommunikation. Du kannst auch mit schrägen Skizzen Inhalte vermitteln – und darauf solltest du stolz sein.


Kann man für jeden Begriff eine Bildmetapher finden?

Nein, nicht immer … und dieser Anspruch führt leider oft dazu, dass man den Spaß am Visualisieren verliert. Verabschiede dich am besten von der Vorstellung, dass es die eine visuelle Übersetzung deines Anliegens gibt. Es existieren unzählige Möglichkeiten, ein und dasselbe Thema visuell darzustellen – und manchmal auch gar keine. Der Begriff „Hunger“ hat zum Beispiel so viele Facetten, dass man das nicht auf ein einfaches Bild reduzieren kann, so, wie man das Herz für „die Liebe“ bemüht. Bevor du verzweifelst – verwende zum Beispiel einen Kernsatz und illustriere ihn mit einer beispielhaften Situation.


Je komplexer, desto besser?

Oh je! Nein. Es gibt eine Grenze „verdaubarer“ visueller Komplexität. Jenseits davon wird’s kompliziert und unverständlich. Egal, mit welchem Medium du arbeitest – versuche immer, Kernaussagen zu finden und deine Argumentation mit einfachen visuellen Ankern zu unterstützen. Mit endlosen Diagrammen, Pfeilen, Texten und Grafikdekoration überforderst du deine Gesprächspartner/innen nur. Gemäß der Theorie der Millerschen Zahl können wir ohnehin maximal 7 Dinge gleichzeitig im Gedächtnis behalten.

wichtige visualisierungsregeln - nicht zu komplex

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